(*Klönschnack: norddeutsch für gemütliche Plauderei)
Liebe Anna,
ja, manchmal bin ich auch traurig. Die Kleine-Seufzer-Traurigkeit überfällt mich meist, wenn ich mich allein fühle, keinen zum Spielen und Klönen habe oder auch, wenn mir langweilig ist. Dann baumele ich mit den Beinen und seufze vor mich hin. Doch das dauert meist nicht lange. Nach einem richtig tiefen Seufzer springe ich wieder auf und mache irgendetwas Neues: Ich laufe einen Weg entlang, den ich noch nie zuvor gegangen bin, oder ich klettere auf einen Baum, auf den ich mich zuvor noch nicht getraut habe, oder ich spreche ein Tier an, das ich noch nicht kenne. Und schwupp ist die Kleine-Seufzer-Traurigkeit verschwunden.
Anders sieht es bei der Großen-Hängeschultern-Traurigkeit aus. Die ist schon kniffeliger, denn ich merke nicht gleich, dass sie mich befallen hat. Meist drückt sie mir so doll auf die Schultern, dass ich ganz gebeugt gehe und mit der Nase fast über den Boden schleife. Und dort sieht alles ganz staubig und grau aus: graue Steine, graue Grashalme, grauer Sand. Das macht mich noch trauriger. Die Schritte werden schwerer und ich spüre, wie sich ein Kloß in meinem Hals festsetzt. Und ich kann dir sagen, wenn man nur noch auf den Boden schaut, sieht man keine bunten Schmetterlinge mehr, kein Sonnenlicht, das in den Baumkronen tanzt und keinen Mäusebussard, der am Himmel seine Kreise zieht. Nur auf den Boden zu schauen, macht mich richtig trübsinnig.
Wenn ich merke, dass mich die Große-Hängeschultern-Traurigkeit befallen hat, habe ich mehrere Tricks, um sie loszuwerden. Bis jetzt haben sie immer geklappt. Als erstes gehe ich in den Wald oder auf eine große Wiese und schreie den Kloß aus meinem Hals fort – so laut ich kann. Ich schreie ganz schief und in allen Tonlagen. Das hört sich so lustig an, dass ich lachen muss. Dann drehe ich mich mit ausgestreckten Armen wild im Kreis herum bis mir ganz schwindelig ist. Den traurigen Gedanken wird dann auch ganz schwindelig. Und jetzt kommt der Trick: Hinlegen und flink über den Boden davonkullern, damit mich die schwindeligen, traurigen Gedanken nicht mehr finden. Dann springe ich in ganz hohen Hüpfern davon und schlackere wild mit den Armen – denn davon muss ich wieder lachen. Und Lachen – das mögen traurige Gedanken gar nicht. Bin ich außer Puste, setze ich mich hin und hole zwei Päckchen aus meiner Hosentasche. In dem einen ist ein Daumenkino drin. Das habe ich selbst gebastelt aus Bildern mit lustigen Grimassen. Ich schaue mir das Daumenkino an und mache die Grimassen nach – immer schneller, bis mein Gesicht ganz locker ist, die Mundwinkel nach oben zeigen und die Augen sich wieder neugierig umschauen. Das zweite Päckchen enthält Bilder von meinen schönsten Erlebnissen. Wenn ich sie mir anschaue, wird mir ganz sonnig ums Herz, und dann ziehe ich los, um noch mehr tolle Dinge zu erleben – und die Große-Hängeschultern-Traurigkeit ist vergessen.
Bist du einmal traurig, dann lass uns in Gedanken Grimassen ziehen und wild über Wiesen torkeln.
Dein schlaubatz
© Antje Joost-Hirsekorn // www.schlaubatz.de
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